THE MAN WHO COPIED
Eine neckische Liebesgeschichte, eine coole Diebesgeschichte und ein cleveres Stück Kino vereint der Brasilianer Jorge Furtado in seinem erfrischenden Spielfilm. Andrö ist 20 Jahre jung und hat die Schule nie abgeschlossen. Er arbeitet als Fotokopierer in der Papeterie in einem Arbeiterquartier der Grossstadt Porto Alegre im Süden Brasiliens. Andrö wohnt bei seiner Mutter. Er zeichnet fürs Leben gern und ist in Silvia verknallt, eine Nachbarin, die zunächst noch nichts von seiner Liebe weiss. Sie ist 18 und besucht eine Abendschule, während sie tagsüber in einem Kleidergeschäft arbeitet. Silvia lebt mit ihrem Vater zusammen und liest viel. Sie hat ein Date auf dem weltberühmten und atemberaubeneden Corcovado in Rio.
Mit Andrö zusammen arbeitet MarinÍs, die sich gerne aufreizend kleidet. Andrös Kumpel Cardoso würde alles tun, um MarinÍs zu erobern. Fast alles. Andrö braucht dringend Geld, und so beginnt er erfolgreich Scheine zu kopieren. Wir leben im Zeitalter des Kopierens. Ein Maus-Klick reicht aus, und man hat sich einen Text, einen Song, ein Bild kopiert. Dazu kommt etwas, was Regisseur Jorge Furtado über seinen Helden Andrö sagt, der in einem Copy-Shop jobbt: «Er weiss ein bisschen über alles, aber nichts wirklich.» Mit der Kopierfähigkeit ging auch ein Stück der Memorierkapazität verloren. Dabei ist die Lust, Dinge wahrzunehmen, mit ihnen zu spielen und auch die Grenzen auszureizen gross. Andrö entdeckt, dass man mit einem Kopiergerät auch Banknoten vervielfältigen kann. Er bekommt das so gut hin, dass die Scheine einsetzbar sind. Das Problem, ein menschliches: Je besser das geht, desto hemmungsloser wirds. Jorge Furtado, der sich mit meisterlichen Kurzfilmen wie Die Blumeninsel einen Namen machte, legt mit seinem zweiten abendfüllenden Spielfilm eine Arbeit vor, die genüsslich und klug auf diversen Ebenen spielt. Zum einen erzählt er in ihr zwei Liebesgeschichten, bei denen die eine eine wunderbar sanfte Annäherung ist. Zum anderen beschreibt er einen Geld-Krimi im Alltagsformat.
Und wer damit noch nicht genug hat, sich in der Film- und Kunstgeschichte ein wenig auskennt und auch schon über das Zeitalter der Reproduzierbarkeit nachgedacht hat, wird sich zusätzlich amüsieren können. Denn, und das kennen wir von früheren Filmen Furtados: Der Brasilianer kann nicht nur unterhaltsam erzählen, er kann uns in einem auch über das Medium Film sinnieren und schmunzeln lassen - weil er es praktisch wie theoretisch beherrscht und liebt. So lässt in «The Man Who Copied» unter anderem Hitchcocks «Rear Window» grüssen, haben wir Teil an der genüsslichen Betrachtung einer kleinen Welt, die der Grossen abschaut und sie eben: liebend gern kopiert.